Friedensreich Hundertwasser
1928 Wien - 2000 an Bord der "Queen Elizabeth II." vor Brisbane
BiografieArkadenhaus und gelber Turm 1953
Aquarell auf Papier, grundiert mit Kreide, Zinkweiß und Fischleim auf Leinwand
123 x 89,5 cm
Signiert und datiert rechter Rand: HUNDERTWASSER 1953
Gewidmet Mitte oben (mit Bleistift, schwer leserlich): FOR TAJIRI FROM HUNDERTWASSER
Rückseitig Etiketten: KESTNER-GESELLSCHAFT HANNOVER 1964 Katalog-Nr. 165;
MODERNA MUSEET STOCKHOLM SWEDEN;
Museum des 20. Jahrhunderts Wien III Schweizergarten ... Österreich
Am Keilrahmen bezeichnet: COLLECTION: GIOTTA-RYU TAJIRI BAARLO sowie nummeriert 165
Provenienz
Sammlung Shinkichi Tajiri, Baarlo, Niederlande (Geschenk des Künstlers);
Sammlung Giotta und Ryu Tajiri (Töchter des Künstlers), Niederlande
Ausstellung
Kestner-Gesellschaft, Hannover 1964;
Kunsthalle Bern, Bern 1964;
Karl-Ernst-Osthaus-Museum, Hagen 1964;
Stedelijk Museum, Amsterdam, 1964;
Museum des 20. Jahrhunderts, Wien 1964/1965;
Moderna Museet , Stockholm 1965;
Kunsthal, Rotterdam 2004;
Cobra Museum voor Moderne Kunst, Amstelveen 2013/2014
Literatur
Andrea Christa Fürst, Hundertwasser 1928-2000. Werkverzeichnis, Vol. II, Köln 2002, Wkv.Nr. 165, S. 245, m. Abb. S. 246 (Wkv.Nr. 165A Tapisserie, Abb. S. 934);
Wieland Schmied, Hundertwasser 1928-2000, Werkverzeichnis, Köln 2000, Vol. I, Wkv.Nr. 165, S. 45, m. Abb. S. 43;
Angelika Taschen (Hg.), Für ein natur- und menschengerechteres Bauen. Hundertwasser Architektur, Köln 1996, Nr. 165, S. 20, m. Abb. S. 21;
Wieland Schmied, Werner Hofmann (Hg.), Hundertwasser, Salzburg 1974, S. 164, 312, m. Abb. S. 165;
Hundertwasser, Ausstellungskatalog, Museum des 20. Jahrhunderts Wien III Schweizergarten, Wien 1965, S. 62, Kat.Nr. 28;
Werner Hofmann, Hundertwasser, Salzburg 1965, S. 27, Tafel 9;
Hundertwasser, Ausstellungskatalog, Moderna Museet, Stockholm, S. 3, Kat.Nr. 20;
Wieland Schmied, Hundertwasser. Katalog der Kestner-Gesellschaft, Ausstellungskatalog, Hannover 1964, S. 120, Nr. 165
Der 1928 geborene Friedensreich Hundertwasser, der zu den wichtigsten, auch international bedeutendsten Künstlern aus Österreich zählt, beschreitet schon früh seinen eigenen Weg. Seine Position ist einzigartig, eigenwillig und abseits der damaligen Avantgardeströmungen anzusetzen. In der ersten Hälfte der 1950er Jahre lebt der Künstler in Paris und hat dort ebenso Ausstellungen wie in Wien, Mailand oder Rom. Er zählt zum Kreis um Yves Klein und Pierre Restany, ist beeindruckt vom Tachismus und findet inspiriert davon zu einem gänzlich eigenständigen, unverwechselbaren Stil. In den 1950er Jahren nimmt er eine führende Position in der ornamentalen Abstraktion ein. Über das Kompositionelle hinaus ist Friedensreich Hundertwasser auch ein philosophischer Ansatz wichtig, bei dem die Liebe zur ursprünglichen Natur im Zentrum steht. Als Vorreiter setzt er sich vehement für den Naturschutz und das ökologische Gleichgewicht ein.
In seiner individuellen Ikonografie nimmt ab 1953 die Spirale als Symbol des Lebens und des Todes eine zentrale Rolle ein. Ein weiteres wesentliches Merkmal seiner Bilder ist das durchgängige Vermeiden der geraden Linie. Diese lehnt er entschieden ab – mit der Begründung, dass diese den Menschen krank mache, da sie in der Natur nicht vorkomme. Auch der rechte Winkel wird verbogen, individuell aufgeladen und durch Hundertwassers persönlichen Stil von seiner Strenge befreit.
Unser außergewöhnliches Bild „Arkadenhaus und gelber Turm“ aus dem Jahr 1953 ist ein besonders gelungenes und augenscheinliches Beispiel dafür. Hundertwasser bezeichnete das Gemälde als gemalte Traumahnung, die das vierzig Jahre später erbaute Hundertwasser-Haus in Wien im dritten Gemeindebezirk, Ecke Kegelgasse und Löwengasse, vorwegnimmt .
Einmalig schön und dekorativ baut sich das Haus, bestehend aus Fenstern, Fensterrahmen, Säulen und Arkaden in bunter, strahlender Farbigkeit auf. Die unten beginnende Schräge in den horizontalen Fensterachsen steigert sich nach oben hin. Diese lebendige Linearität des Arkadenhauses findet eine Antwort im Himmel, der durch die Strahlen der hinter dem Haus verborgenen Sonne gegliedert wird. Links am oberen Bildrand befindet sich der gelbleuchtende, über allem thronende Turm. Ein am höchsten Punkt des Daches rechts stehender Mann triumphiert, als hätte er den Gipfel eines Berges erklommen, und uriniert in hohem Bogen vom Gebäude herab. Auch dies ist eine im Nachhinein amüsante Vorahnung des Künstlers, der beschreibt: „Als ich selbst ein Jahr lang von früh bis spät am Hundertwasser-Haus mitarbeitete, bemerkte ich, dass der ganze Rohbau nach Urin stank. Der Polier und die Bauleitung meinten, darauf angesprochen, es würde die Bauherrn ein Vermögen kosten, wenn jeder Maurer zum Urinieren die vielen Stockwerke hinuntergehen würde. Jedesmal eine halbe Stunde Arbeitsausfall. Daher darf bzw. muss man urinieren, wo man gerade arbeitet. So verstand ich die gemalte Vorahnung dieses Bildes erst viel später.“ Hundertwasser schreibt in seinen Aufzeichnungen, dass er dieses Werk gegen eine Eisenskulptur von Shinkichi Tajiri tauschte, der ebenso ein Atelier in Paris hatte und dessen Skulpturen für ihn höchst beeindruckend und lebensprägend waren. Das Bild befand sich lange Zeit in Tajiris Kunstsammlung.