Straße nach Dürnstein 1897/98
Öl auf Holz
17,4 x 26,8 cm
Rückseitig signiert, betitelt und nummeriert auf alten Klebeetiketten: Tina Blau No 41 Straße nach Dürnstein Besitz Helene Roth
Rückseitig betitelt und bezeichnet auf altem Klebeetikett: H. R. TINA BLAU. Strasse nach Dürnstein. Besitz Helene Roth
Provenienz
Nachlass Tina Blau (1916); Flora Roth, Wien (?); Helene Roth, Wien; Paula Karoline Taussig-Roth, Wien; Privatbesitz, New York
Literatur
Markus Fellinger, Claus Jesina, Tina Blau. Online-Werkverzeichnis, hg. v. Agnes Husslein-Arco (Belvedere Werkverzeichnisse. 6), Wien 2016., Wkv.Nr. GE 714 (https://werkverzeichnisse.belvedere.at/objects/105564/strasse-nach-durnstein?)
Vgl.: Agnes Husslein-Arco, Markus Fellinger (Hg.), Tina Blau, Ausstellungskatalog, Belvedere, Wien 2016/2017; S. 101, 108;
Tobias G. Natter (Hg.), Pleinair. Die Landschaftsmalerin Tina Blau. 1845-1916, Ausstellungskatalog, Jüdisches Museum, Wien 1996;
Weitere Informationen
Die malerische Entdeckung der wildromantischen – und lange Zeit nur recht abenteuerlich mit Schiff und Postkutsche erreichbaren – Wachau stellt eines der spannendsten Kapitel der österreichischen Kunstgeschichte dar. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte mit Jakob Alt, Rudolf von Alt und Thomas Ender gewissermaßen eine erste malerische Bestandsaufnahme jenes Donauabschnittes zwischen Melk und Göttweig ein, der mit seinen geschichtsträchtigen Burgruinen, seinen pittoresken, verwinkelten Dörfern und den das Donautal so sanft säumenden Weinterrassen zu den beeindruckendsten Landschaften Europas zählt. Seit den 1880er Jahren verewigte auch die nachfolgende Künstlergeneration der „Pleinairisten“ – Künstler wie Emil Jakob Schindler, Robert Russ, Max Suppantschitsch, Marie Egner oder Olga Wisinger-Florian die Schönheit der Donaulandschaft in Hauptwerken des Stimmungsimpressionismus. Diese so einzigartige Verbindung von romantischer Landschaft, einem oft südlich-milden Licht, dem entspannten Sommerfrischeflair und der inspirierenden Weinseligkeit hat damals wie heute nichts von ihrer Faszination verloren: Wie so viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, konnte sich auch Tina Blau den Reizen der Wachau nicht entziehen, und so entstanden ab 1897 während mehrerer dokumentierter Aufenthalte erste stimmungsvolle Ansichten aus dieser Region.
„Hätte sich Caspar David Friedrich je gen Süden in die Wachau vorgewagt, wäre er vielleicht geblieben. Der deutsche Romantikstar hätte zwar anstelle der kühlen Nordsee mit dem im 19. Jahrhundert immerhin noch unregulierten Donaustrom vorliebnehmen müssen, ansonsten aber wäre alles da gewesen, was ihn und die Seinen damals im Herzen rührte: dramatische Felsformationen, wild wuchernde Auen und Wälder, Burgruinen, Schlösser, Kapellen und Bauernhäuser.“
Gemälde wie nebenstehender „Weg nach Dürnstein“ zählen durch Motivwahl und virtuosen Pinselduktus zu den ganz besonderen und heute so gesuchten Kleinodien aus dem reichen Schaffensfundus der Künstlerin. Auf einem Weg westlich von Unterloiben hat Tina Blau Position bezogen und bannt mit raschen, fest umrissenen Pinselzügen das pittoreske Panorama von Dürnstein bildfüllend auf ihre Holztafel. Die kubisch ineinander verschachtelten Baukörper von Stadtmauer, Weinhauerhäusern, dem Klarissenkloster, der Kunigundenkirche und nicht zuletzt dem barocken Stiftsturm schmiegen sich als eine architektonische Einheit in die idyllische Kulturlandschaft der Weingärten, deren Rebstöcke im Vordergrund fast aus dem Bildraum zu wachsen scheinen. Diese markante Perspektive, ein ausgesprochenes Charakteristikum der Malerei Tina Blaus, wird durch den starken Tiefenzug des lehmigen Weges weiter verstärkt, auf dem zwei reizvolle, blau und rot gewandete Staffagefiguren durch die grünen Terrassen Richtung Stadttor schlendern. Hinter der „Skyline“ Dürnsteins schimmern in atmosphärischen Blautönen die Hügelketten des Donautales, darüber wölbt sich ein wind- und wolkenzerzauster Himmel, der eine herbstliche Jahreszeit und womöglich einen bevorstehenden Regenguss verheißt. In diesem fein abgestuften, abbreviaturhaften Gefüge aus Grün-, Ocker- und Brauntönen blitzt ein kurzer Sonnenstrahl und lässt hier und da eine Fassade pointiert aufleuchten.
In seinem – damals wie heute so hoch geschätzten – fulminanten malerischen Duktus und der intensiven Unmittelbarkeit der festgehaltenen Stimmung ist die „Weg nach Dürnstein“ einmal mehr ein beeindruckendes Zeugnis der so bahnbrechenden, zeitlosen Landschaftsmalerei Tina Blaus. Wohl nicht ohne Grund hat die Künstlerin dieses Kleinod zu Lebzeiten nie verkauft: es befand sich bis vor Kurzem, aus dem Nachlass über Erbgang der Familie, seit vielen Jahrzehnten in amerikanischem Privatbesitz und wird in dieser Ausstellung als kleine Sensation erstmalig am österreichischen Kunstmarkt angeboten.
(Stefan Rodler)
